Steigende Risikoaversion vor den US-Präsidentschaftswahlen

  • Das Wirtschaftswachstum zeigte in den USA im dritten Quartal mit einer Zunahme von 2.8% kaum Schwächen.
  • Die Präsidentschaft hat auf die Aktienmarktentwicklung langfristig kaum Einfluss, auf Sektorebene aber schon.
  • Sinkende Leitzinsen und stabile Gewinnerwartungen schaffen ein günstiges Umfeld für Aktienanlagen.
Matthias Wirz
«Die erhöhte Volatilität an den Finanzmärkten dürfte vor allem bei einem unklaren Wahlausgang anhalten. » Matthias Wirz, Leiter Anlagestrategie und Vermögensverwaltung, Partner

Nachdem Anfang Woche die amerikanische Technologiebörse Nasdaq den bisherigen Rekordstand vom Juli beinahe geknackt hat, führten deutlich steigende Zinsen und die zunehmende Risikoaversion der Anleger vor den US-Präsidentschaftswahlen zu teilweise kräftigen Kursverlusten.


Aktuelle Situation

Selbst solide Gewinnausweise der «Technologie-Megacaps» Microsoft und Meta wurden vom Markt abgestraft, da die Unternehmen künftig mit steigendem Investitionsbedarf in KI und fallenden Margen rechnen. Auch Apple und Amazon wiesen gute Unternehmensberichte aus und übertrafen die Markterwartungen. Bei Apple trübte zwar der leichte Umsatzrückgang in China das Bild, doch stieg hier der iPhone-Umsatz gleichermassen an wie in der übrigen Welt. Infolge der Auslieferung des neuen iPhone 16 im September nahm der Umsatz des mit Abstand wichtigsten Produkts um 5.5% auf USD 46.2 Mrd. zu. Ausserdem führt Apple stetig neue KI-Funktionen ein, welche den Nutzen des iPhones und übrigen Geräte in den kommenden Monaten erhöhen werden. Amazon konnte die Markterwartungen bezüglich Umsatzes, operativem Ergebnis und Marge deutlich übertreffen, weshalb die Aktie nachbörslich um 6% zulegte.    

Das Wirtschaftswachstum (BIP) zeigte in den USA im dritten Quartal mit einer Zunahme von 2.8% kaum Schwächen. Dazu lieferten die privaten Konsumausgaben mit einem Anstieg von 3.7% erneut den weitaus grössten Beitrag. Gleichzeitig fiel die Kern-Teuerung von 2.8% auf 2.2% und somit weiter in den Zielbereich von 2%. Der heutige Arbeitsmarktbericht für Oktober dürfte zwar die seit ein paar Monaten anhaltende Abkühlung bestätigen, doch verzerren die jüngsten Wirbelstürme in Florida und der Streik bei Boeing das Ergebnis. Mit der gegenwärtig robusten Konjunktur sollte sich der Zinssenkungspfad des FED etwas abschwächen, dennoch ist bis Ende Jahr mit zwei weiteren Leitzinssenkungen von jeweils 0.25% im November und Dezember auf 4.5% zu rechnen. Im Verlaufe des nächsten Jahres wird das FED gemäss Markterwartung den Leitsatz von 4.5% bis auf 3.5% senken.

In Europa hellt sich das zuletzt düstere Konjunkturbild auf: das BIP hat im 3. Quartal mit 0.4% (1.6% annualisiert) mehr als erwartet zugenommen. Überraschenderweise hat sich auch das deutsche BIP um 0.2% (0.8%) erhöht, wofür der starke private und staatliche Konsum bestimmend waren. Allerdings wurde das zweite Quartal von -0.1% auf -0.3% nach unten revidiert. Wenig erfreulich hat sich die deutsche Teuerung im Oktober mit einem Anstieg von 0.4% bzw. 1.6% im Jahresvergleich beschleunigt, wobei die Dienstleistungsinflation von 3.7% auf 3.9% zulegte. Dennoch dürfte die Europäische Zentralbank (EZB) ihren Leitzins im Dezember von 3.25% auf 3.0% senken. 

Der Wahlkampf in den USA verläuft derart ausgeglichen, dass sich die Prognosen für Trump und Harris innerhalb des statistischen Fehlbereichs befinden. Auf der wirtschaftlichen Ebene sind die Wahlprogramme der Republikaner und Demokraten indes ziemlich unterschiedlich: während Trump auf massive Steuersenkungen für Unternehmen setzt und diese über hohe Importzölle finanzieren will, möchte Harris die Unternehmens- und Kapitalgewinnsteuer erhöhen und die zusätzlichen Einnahmen für die Mittelschicht und Geringverdiener einsetzen. Trump steht für Deregulierung, und Harris für eine Zunahme staatlicher Regulierung. Obwohl die Präsidentschaft auf die Aktienmarktentwicklung langfristig kaum Einfluss hat, ergeben sich auf Sektorebene möglicherweise grössere Konsequenzen. Während ein Sieg von Trump vor allem den Energiesektor, die Versorger, Industrieunternehmen und Banken positiv beeinflussen dürfte, könnte der Obligationenmarkt durch weiter steigende Budgetdefizite belastet werden. Ein Sieg von Harris wäre dagegen die Fortsetzung der aktuellen Politik Bidens und daher vor allem negativ für den Energie- und Versorgungssektor, sowie - aufgrund von mehr Regulierung - für den Finanzsektor. 


Unsere Empfehlung

Die erhöhte Volatilität an den Finanzmärkten dürfte vor allem bei einem unklaren Wahlausgang und damit länger dauernden Nachzählungen anhalten. Mittelfristig schaffen jedoch sinkende Leitzinsen und stabile Gewinnerwartungen ein günstiges Umfeld für risikotragende Anlagekategorien, insbesondere für Aktienanlagen. Weiter fallende Aktienkurse sollten daher für Anschlusskäufe genutzt werden, das gilt insbesondere für den mittlerweile wieder attraktiv bewerteten schweizerischen Aktienmarkt.

Taktische Positionierung

Obligationen: Untergewichtung; Ausbau Unternehmensanleihen: 4 - 8jährige Laufzeiten bevorzugen, Durationverlängerung
Aktien: Übergewichtung 
Währungen: USD/CHF über 0.86 absichern und EUR/CHF über 0.96 absichern
Rohstoffe: Industriemetalle, Energie übergewichten
Edelmetalle: Gold übergewichten; Goldminenaktien attraktiv 
Immobilien: Übergewichtung (Anlagestiftungen, Immobilienfonds)
TransaktionenAktien:Obligationen:
Sektoren: Übergewichtung Technologie, Gesundheit, zyklischer Konsum

Matthias Wirz, 01. November 2024