Politische Unsicherheiten bewegen die Märkte

  • In Deutschland ist die «Ampel-Regierung» nach den Europaratswahlen de facto abgewählt worden.
  • In Frankreich findet an diesem Wochenende der 1. Wahlgang der Parlamentswahlen statt, wobei die Rechtspartei «Rassemblement National» (RN) in den Umfragen klar in Führung liegt.
  • In den USA hat Präsident Joe Biden im ersten TV-Duell vor den Wahlen gegen Herausforderer Donald Trump eine herbe Niederlage erlitten.
Matthias Wirz
«In den nächsten Wochen sollte sich das fundamentale Umfeld für Aktienanlagen aufhellen, da der Rückgang der Teuerungsraten im Verlaufe der zweiten Jahreshälfte neuerlich Zinssenkungshoffnungen entfacht.» Matthias Wirz, Leiter Anlagestrategie und Vermögensverwaltung, Partner

Die Aktienmärkte sind in den letzten Wochen in die erwartete Konsolidierungsphase eingetreten. Im Monatsvergleich sind einzig die amerikanischen Märkte und dort vor allem die Technologiewerte (dank Nvidia) mit 5% nennenswert im Plus. In Europa dagegen korrigierten der DAX um 3% und der CAC 40 um über 6%, vor allem zurückzuführen auf die politischen Unsicherheiten in den beiden Ländern.


Aktuelle Situation

In Deutschland ist die «Ampel-Regierung» nach den Europaratswahlen de facto abgewählt worden, sodass Neuwahlen in den kommenden Monaten wahrscheinlicher geworden sind. In Frankreich finden diese bereits an diesem Wochenende statt, wobei die Rechtspartei «Rassemblement National» (RN) in den Umfragen klar in Führung liegt. Entsprechend kann eine absolute Mehrheit im Parlament nicht ausgeschlossen werden. Der Kandidat für den Posten des Ministerpräsidenten, Bardella, sprach sich kürzlich für eine Senkung der Mehrwertsteuer auf Energie und Benzin aus und fordert eine Reduktion von EUR 2 Mrd. der französischen Beiträge an die EU. Beide Massnahmen verunsichern zurzeit die Obligationenmärkte, welche mit einer deutlichen Ausdehnung der Risikoprämien auf den möglicherweise noch stärker defizitär werdenden Staatshaushalt reagierten. Hingegen zeigt das Beispiel Italien, wo ein Rechtsbündnis mit Premierministerin Giorgia Meloni an der Spitze einen eher vorsichtigen wirtschaftspolitischen Kurs verfolgt, dass sich die Märkte auch wieder schnell beruhigen können. Meloni plant viel mehr grosse Staatsreformen, welche eine Direktwahl des Premierministers, eine grössere Autonomie der Regionen und eine Justizreform umfassen.    

In den USA hat Präsident Joe Biden im ersten TV-Duell vor den Wahlen gegen Herausforderer Donald Trump eine herbe Niederlage erlitten. Der offensichtlich angeschlagene Biden konnte seine durchaus guten Argumente kaum wirkungsvoll platzieren und verhaspelte sich mehrfach. Trump setzte voll auf Angriff, wobei er es mit der Wahrheit nicht immer so genau nahm. Zwar sind es bis zur Wahl noch vier Monate, doch setzen sich die Finanzmärkte nun vermehrt mit einem möglichen Präsidenten Trump auseinander. In einem Szenario, in welchem auch der Kongress mehrheitlich republikanisch ist (Red Sweep), wird die Fiskalpolitik aufgrund von Steuersenkungen noch expansiver als es bereits heute der Fall ist. Dadurch könnten allerdings die Inflationserwartungen erneut ansteigen und das FED zu einer vorsichtigeren Geldpolitik bewegen. Während insgesamt mit positiven Auswirkungen auf die Aktienmärkte zu rechnen ist, dürfte der USD-Obligationenmarkt infolge weiter steigender Budgetdefizite belastet werden. Im Weiteren wären tiefere Unternehmenssteuern und eine geringere Regulierung positive Treiber für die Aktienmärkte, wohingegen höhere Zölle zunehmende Handelsspannungen verursachen und deshalb bremsend wirken sollten. In einem Alternativ-Szenario mit Trump als Präsidenten, jedoch einem gespaltenen Kongress, wird sich Trumps Wirtschaftspolitik nicht gleichermassen durchsetzen lassen. Deshalb fallen die Auswirkungen auf die Aktienmärkte in diesem Szenario deutlich weniger positiv aus als im Red Sweep-Szenario.

Die fundamentalen Eckwerte haben sich in den letzten Wochen besonders bei den Konjunkturindikatoren verschlechtert. Nach kurzem Aufbäumen befindet sich der industrielle Sektor der grossen G7-Industrieländer erneut nahe dem rezessiven Niveau. Allerdings hält der bedeutungsvollere und anhaltend dynamische Dienstleistungssektor die Weltwirtschaft im positiven Wachstumsbereich, sodass eine Rezession mindestens in diesem Jahr nahezu ausgeschlossen werden kann.

Die Fortschritte in der Inflationsbekämpfung eröffnen den Notenbanken in den kommenden Monaten mehr Spielraum, ihre restriktive Geldpolitik zu lockern. Während einige wichtige Zentralbanken wie die BOC, EZB und SNB bereits ihre Leitzinsen gesenkt haben, dürfte das FED im September folgen. Die Geldmärkte rechnen zurzeit mit 1-2 Zinsschritten des FED bis Ende Jahr, ähnliches wird für die EZB erwartet.

Zur Beruhigung der Anleihemärkte haben die 31 grössten amerikanischen Banken den jährlichen Stresstest des FED bestanden. Dabei wurde eine tiefe Rezession mit einem Anstieg der Arbeitslosenquote auf 10% unterstellt, begleitet von einem weiteren Rückgang der Gewerbeimmobilienpreise um 40%. Im Ergebnis würden die Banken in diesem «Worst-Case-Szenario» zwar USD 685 Mrd. an Verlusten erleiden, doch wäre das regulatorische Kapital ausreichend und bliebe oberhalb der Minimalquoten.

 


Unsere Empfehlung

In den nächsten Wochen dürfte sich das fundamentale Umfeld für Aktienanlagen aufhellen, sodass an den Aktienmärkten weiter steigende Kurse zu erwarten sind. Als Gründe hierfür sind der (deutliche) Rückgang der Teuerungsraten im Verlaufe der zweiten Jahreshälfte und dadurch neu entfachte Zinssenkungshoffnungen zu nennen. Neben dem Technologiesektor, der durch die «KI-Phantasie» angetrieben wird, sollten auch die bisher zurückgebliebenen Sektoren Nicht-zyklischer Konsum, Versorger und Gesundheit profitieren. Regional bleiben die Schweiz und die USA unsere Favoriten.    

Auf der Obligationenseite sind aufgrund der vorerst weiter bestehenden inversen Zinsstruktur weiterhin Anleihen mit kurzen und mittleren Laufzeiten und guter Bonität zu empfehlen.

Die kotierten Immobilienfonds schliesslich haben nach den erfolgten zwei Leitzinssenkungen der SNB weiter an Attraktivität hinzugewonnen. Mit dem Rückgang des allgemeinen Zinsniveaus in der Schweiz auf unter 1% für zehnjährige Staatsanleihen sind kotierte Immobilienfonds mit einer Ausschüttungsrendite von 3% pro Jahr attraktiv. Gleichzeitig liegt der mittlere Aufpreis gegenüber dem inneren Wert mit 11% unter dem historischen Durchschnitt.

Der nächste Wochenbericht erscheint aufgrund der Sommerpause erst wieder am 9. August.

 

Taktische Positionierung

Obligationen: Untergewichtung; kurze und mittlere Laufzeiten bevorzugen, Unternehmensanleihen übergewichten
Aktien: Abbau Übergewichtung 
Währungen: USD/CHF über 0.88 absichern und EUR/CHF über 0.96 absichern
Rohstoffe: Industriemetalle, Energie übergewichten
Edelmetalle: Gold übergewichten; Silber und Platin neutral
Immobilien: Übergewichtung (Anlagestiftungen, Immobilienfonds)
TransaktionenAktien: Kauf EQQQ Obligationen: Kauf 1 5/8 KW Oberhasli 2032
Sektoren: Übergewichtung Gesundheit, nicht zyklischer Konsum
Themen: Basis- und Edelmetalle, Energie

Matthias Wirz, 09. August 2024