Inflationsdruck nimmt ab

  • Die Zinskurven dürften ihre inverse Struktur in den kommenden Monaten beibehalten und sich erst gegen Ende Jahr langsam normalisieren.
  • Für die Aktienmärkte zeichnet sich in diesem Jahr ein «Goldilocks»-Szenario mit sinkenden Zinsen und positivem Wirtschaftswachstum ab.
  • Nach einer kurzfristigen Konsolidierungsphase dürften die Aktienmärkte die Rallye fortsetzen.
Matthias Wirz
«In den USA haben die tiefer als erwarteten Inflationszahlen an den Anleihe- und Aktienmärkten für Erleichterung gesorgt. » Matthias Wirz, Leiter Anlagestrategie und Vermögensverwaltung, Partner

In den USA haben die tiefer als erwarteten Inflationszahlen an den Anleihe- und Aktienmärkten für Erleichterung gesorgt. Die Teuerungsrate stagnierte mit 0.0% im Mai und die Kernrate ohne Energie- und Lebensmittelpreise erhöhte sich um 0.2% (aufgerundet) oder annualisiert um 2.4%. Damit bildete sich die 3-Monats-annualisierte Kernrate von 4.1% im April auf 3.3% im Mai zurück, den niedrigsten Wert seit Oktober 2023. Die «Supercore-Rate» (ohne Mieten und Wohnkosten) fiel sogar um 0.04% im Monatsvergleich. Entsprechend steigen die Hoffnungen, dass sich auch der Konsumausgaben-Deflator (PCE) - das wichtigste Mass für das FED zur Beurteilung des Teuerungsdrucks - wieder verstärkt in Richtung der Zielvorgabe von 2% bewegt.  


Aktuelle Situation

Die amerikanische Notenbank (FED) liess an ihrer jüngsten Sitzung (FOMC) erwartungsgemäß die Leitzinszinsen unverändert, überarbeitete jedoch ihre Prognosen von bisher drei auf nur noch einen Zinssenkungsschritt in diesem Jahr. Somit bestätigte das FED den Marktkonsens, dass die Leitzinsen länger im restriktiven Bereich verharren werden als noch Anfang Jahr erwartet («Higher for longer»). Ebenso wurde die Prognose für den PCE-Deflator für 2024 von 2.6% (März) auf 2.8% angehoben. FED-Chef Jerome Powell wiederholte an der Pressekonferenz erneut, dass der künftige Leitzinspfad entscheidend von den Konjunktur- und Teuerungsdaten abhängen wird. Das Motto der Datenabhängigkeit hat sich auch die Europäische Zentralbank (EZB) auf die Fahne geschrieben, sodass der zwar abnehmende, aber immer noch zu hohe Inflationsdruck die Zentralbanken daran hindert, ihre Leitzinsen ähnlich schnell wie in vergangenen Zinszyklen zu senken.

Entsprechend lassen sich für die Finanzmärkte folgende Schlüsse ziehen: Die Zinskurven dürften ihre inverse Struktur in den kommenden Monaten beibehalten und sich erst gegen Ende Jahr langsam normalisieren. Gemäss aktueller Markterwartung verharren die langfristigen USD-Renditen in etwa auf dem heutigen Niveau von 4.30%, während die kurzfristigen Zinsen von 5.4% auf 4.75% sinken dürften. Der Rückgang um 0.65% impliziert zwei Leitzinssenkungen des FED bis Ende 2024.

Somit zeichnet sich für die Aktienmärkte in diesem Jahr ein sogenanntes «Goldilocks»-Szenario mit sinkenden Zinsen und positivem Wirtschaftswachstum ab. Hingegen gleitete die US-Wirtschaft in den vergangenen Konjunkturzyklen im Mittel nach 20 Monaten inverser Zinskurvenstruktur in eine Rezession ab. Zurzeit verdichten sich die Anzeichen, dass eine Rezession aufgrund der - in einem Wahljahr üblichen – äusserst expansiven Fiskalpolitik ausbleiben wird. Ausserdem wird der für das Wirtschaftswachstum immer bedeutungsvollere Technologiesektor mit seiner hohen Wachstumsrate und Cash-Flow-Marge, angetrieben durch Investitionen in KI, kaum von hohen Leitzinsen beeinträchtigt. Entsprechend bestimmt zurzeit der Technologieindex Nasdaq, der in diesem Jahr bisher eine Performance von 17% (in USD) erreichte, das Geschehen an den weltweiten Aktienmärkten. Während die Mehrrendite gegenüber dem S&P 500 und dem Dow Jones damit 2% resp. 13% beträgt, ergibt sich im Vergleich zum SMI eine Mehrrendite von 12% in CHF.     

 


Unsere Empfehlung

Wir gehen weiterhin von einer kurzfristigen Konsolidierungsphase an den Aktienmärkten aus. Dies gilt insbesondere für Technologieaktien, welche inzwischen auf technisch überkauften Niveaus angelangt sind. In der zweiten Jahreshälfte sollten sich jedoch die Teuerungsraten schneller zurückbilden als der Markt erwartet und dadurch die Zinssenkungshoffnungen neu entfachen. Entsprechend dürften die Aktienmärkte die Rallye zeitnah fortsetzen, wobei auch die bisher zurückgebliebenen Sektoren Nicht-zyklischer Konsum, Versorger und Gesundheit profitieren sollten.       

 

Taktische Positionierung

Obligationen: Untergewichtung; kurze und mittlere Laufzeiten bevorzugen, Unternehmensanleihen übergewichten
Aktien: Abbau Übergewichtung 
Währungen: USD/CHF über 0.88 absichern und EUR/CHF über 0.96 absichern
Rohstoffe: Industriemetalle, Energie übergewichten
Edelmetalle: Gold übergewichten; Silber und Platin neutral
Immobilien: Übergewichtung (Anlagestiftungen, Immobilienfonds)
TransaktionenAktien:Obligationen:
Sektoren: Übergewichtung Gesundheit, nicht zyklischer Konsum
Themen: Basis- und Edelmetalle, Energie

Matthias Wirz, 14. Juni 2024