Finanzmarktausblick 4. Quartal 2024

Derzeit keine Rezession in Sicht

  • Weltweiter Konjunkturabschwung, aber keine Rezession
  • Weltweite Lockerung der Geldpolitik
  • Übergewichtung der Aktienanlagen beibehalten
  • Immobilienfonds mit einer Rendite von 3%
  • Währungen: Aufwertung des JPY und CHF
Matthias Wirz
«Da eine Rezession in den USA nicht absehbar ist, sollte sich das fundamentale Umfeld positiv auf Aktien und Unternehmensanleihen auswirken. » Matthias Wirz, Leiter Anlagestrategie und Vermögensverwaltung, Partner

Bisher gibt es zweifellos Hinweise auf eine Konjunkturabschwächung in den USA, aber wenig Evidenz für eine Rezession. Freilich signalisiert der Einkaufsmanagerindex für die Industrie (ISM), der bereits zwei Jahre unter dem Schwellenwert von 50 notiert, eine länger anhaltende Stagnationsphase des industriellen Sektors. Dieser ist jedoch mit einem Anteil von 12% am Bruttoinlandsprodukt nicht ausschlaggebend für das gesamtwirtschaftliche Wachstum. Entscheidender wird der weitere Verlauf des privaten Konsums sein, der im 2. Quartal um solide 2.9% anstieg und den Haupttreiber des BIP-Wachstums von 3% bildete. Angesichts des überdurchschnittlich hohen Konsumentenvertrauens in den USA ist eine Rezession in diesem Jahr unwahrscheinlich.

Mit der gegenwärtig laufender Abschwächung des Arbeitsmarktes, die sich in einer steigenden Arbeitslosenquote und einer rückläufigen Anzahl offener Stellen widerspiegelt, wird zwar auch der private Konsum an Schwung verlieren. Dabei handelt es sich jedoch eher um eine Normalisierung als um einen kräftigen Abschwung. Das Konjunkturmodell der regionalen Notenbank von Atlanta errechnet anhand von «Echtzeitdaten» ein BIP-Wachstum für die USA von über 2% für das 3. Quartal 2024.      

Bedeutend eingetrübter zeigt sich das europäische Konjunkturbild, wobei vor allem Deutschland seit zwei Jahren Nullwachstum verzeichnet und deshalb als gesamteuropäischer Bremsklotz wirkt. Politische Unsicherheit, schnell steigende Lohnkosten, ausufernde Bürokratie und enorm hohe Energiepreise lassen auch für die kommenden Monate nicht auf eine rasche Konjunkturerholung schliessen. Möglicherweise werden die gegenwärtig sinkenden Öl- und Gaspreise für eine gewisse Entspannung sorgen. Da Europa und vor allem Deutschland stark vom Export abhängig sind, ist die Erholung des globalen Handels - insbesondere mit China - eine zwingende Voraussetzung für eine nachhaltige Konjunkturerholung.

Chinas Wirtschaft wiederum befindet sich unverändert in einer zyklischen Abschwungphase, welche nicht nur auf den abnehmenden Welthandel, sondern auf die noch immer unbewältigte Immobilienkrise, sinkende Investitionstätigkeit und geringe Konsumneigung der privaten Haushalte zurückzuführen ist. Die Bemühungen Chinas, die Wirtschaft nachhaltiger und weniger exportabhängig zu gestalten, sowie auf technologische Innovation zu trimmen, dürfte sich erst langfristig auszahlen. Kurzfristig helfen die Lockerungsmassnahmen der chinesischen Zentralbank und die Erhöhung des Eigenkapitals der Grossbanken. 


Unsere Anlagepolitik

Konjunkturdaten:

In der taktischen Anlagestrategie halten wir an der Übergewichtung der Aktienanlagen fest. Da eine Rezession in den USA nicht absehbar ist, sollte sich das fundamentale Umfeld mit fallenden Kurz- und Langfristzinsen günstig auf die Anlagekategorien Aktien und Unternehmensanleihen auswirken.

Übergewichtung der Aktienanlagen beibehalten 

Trotz der relativ schnellen Erholung an den Aktienmärkten nach dem «Japan-Crash» Anfang August, hat sich die zeitweise äusserst hohe Risikoaversion der Anleger noch nicht vollständig normalisiert. Dennoch ist die Übergewichtung der Aktienquote aufgrund der geldpolitischen Lockerung der meisten Notenbanken und der robusten Gewinnentwicklung der Unternehmen unverändert zu empfehlen. Dabei stehen die wenig konjunkturabhängigen Sektoren Nicht-zyklischer Konsum, Versorger und Gesundheit im Vordergrund. Nach der Korrektur des vorübergehend deutlich überbewerteten Technologiesektors sind auch in diesem Sektor Zukäufe wieder möglich.

 

Anleihen mit mittleren und langen Laufzeiten sind kaufenswert

Auf den Obligationenmärkten hat sich nach der Sommerpause die Anzahl Neuemissionen schlagartig erhöht. Mit teilweise attraktiven Verfallsrenditen und Emissionsprämien sind so bekannte Namen wie Roche, Geberit, EDF und Commerzbank am CHF- oder Lonza und Caterpillar am EUR-Obligationenmarkt aufgetreten. Dabei werden die Notenbanken in den nächsten Monaten die Leitzinsen weiter zügig senken, wodurch sich die Zinsstrukturkurven auf tieferem Niveau normalisieren sollten. Damit sind 5-8-jährige Anleihen aufgrund des vorteilhaften Ertrags-Risikoprofils besonders interessant.

Immobilienfonds mit einer Rendite von 3%

Synchron mit weltweit fallenden Renditen ist das Zinsniveau in der Schweiz auf unter 1% gefallen, wodurch Immobilienanlagen wieder verstärktes Interesse der Anleger anziehen dürften. Dabei sind kotierte Immobilienfonds mit einer durchschnittlichen Rendite von 3% und einem mittleren Aufpreis gegenüber dem inneren Wert von 11% vergleichsweise attraktiv und entsprechend kaufenswert.

Edelmetalle und Rohstoffe: Zuflüsse in Gold-ETF 

Die Goldkäufe der Notenbanken sollten den Goldpreis auch in den kommenden Monaten positiv beeinflussen. Die seit kurzem anziehenden Zuflüsse in Gold-ETF werden dabei von Vorteil sein. Darüber hinaus ist der Goldminensektor besonders interessant, da die Unternehmen hohe Free-Cash Flows und attraktive Bewertungen verzeichnen, sowie steigende Dividendenzahlungen vorsehen.

Dominik Nussbaumer
«Anhaltende Goldkäufe der Zentralbanken und sinkende Zinsen lassen den Goldpreis weiter steigen. » Dominik Nussbaumer, Geschäftsleitung, Partner

Währungen: Aufwertung des JPY und CHF

Da der JPY kaufkraftmässig deutlich unterbewertet ist, dürfte sich der Aufwertungstrend abgeschwächt fortsetzen. Der CHF profitiert unverändert von seinem Nimbus als «sicherer Hafen» und sollte deshalb gleichfalls zur Stärke neigen. Die SNB versucht jedoch mit einer expansiveren Geldpolitik gegenzusteuern. Dagegen ist der USD aufgrund seiner Überbewertung korrekturanfällig.

Alternativen zu unserer Anlagestrategie und Hauptszenario

Das oben beschriebene Hauptszenario hat gegenüber unserem Ausblick von Ende Juni an Wahrscheinlichkeit hinzugewonnen. Das negative Szenario schätzen wir als sehr unwahrscheinlich ein. Das positive Szenario bleibt möglich, aber wenig wahrscheinlich.

Negatives Szenario: Rezession (Eintretenswahrscheinlichkeit sehr gering)

In diesem Szenario bilden sich die Inflationsraten zwar wie erwartet zurück und nähern sich dem Zielbereich der Notenbanken von 2% sukzessive an. Allerdings verbreiten die vergangenen Leitzinserhöhungen des FED mit grosser Verzögerung ihre restriktive Wirkung auf die US-Wirtschaft. Dabei schwächt sich der Arbeitsmarkt schneller und heftiger als erwartet ab, weshalb das FED «behind the curve» gerät. Eine mögliche Rezession in den USA würde den weltweit bereits global weit fortgeschrittenen Konjunkturabschwung nochmals deutlich verschärfen. Dazu könnten aufkeimende Handelskonflikte, welche zu höheren Zöllen und daher zu neuerlichen Teuerungsschüben führen, die wirtschaftliche Situation in vielen Ländern deutlich verschlechtern.  

In der Folge werden das FED und die übrigen Notenbanken versuchen, mit einer expansiven Geldpolitik und raschen Leitzinssenkungen gegenzusteuern und die absinkende Wirtschaftsaktivität abzufedern. Eine weltweite Rezession würde zweifellos zu einem Einbruch der Unternehmensgewinne und zu empfindlichen Preiskorrekturen an den Aktienmärkten führen.

Zwar würden fallende Leitzinsen den negativen Effekt der Gewinneinbrüche teilweise kompensieren, aber erst in einer zweiten Phase. In diesem Szenario sind risikotragende Anlagekategorien eindeutig die Verlierer, wohingegen sichere Häfen (CHF, JPY, Gold, Staatsanleihen) die Gewinner darstellen. An den Obligationenmärkten sinken einerseits die Renditen der langfristigen Staatsanleihen, andererseits weiten sich die Kreditrisikoprämien bereits vorgängig aus, gepaart mit zunehmenden Ausfallraten.

Positives Szenario: Rasch sinkende Infaltionsraten und Konjunkturaufschwung (Eintretenswahrscheinlichkeit gering)

In diesem Szenario sinken die Inflationsraten in der 2. Jahreshälfte schneller als erwartet und eröffnen dadurch den Zentralbanken frühzeitig mehr Spielraum in der Geldpolitik. Entsprechend werden die Leitzinssenkungen durch das FED und die EZB bis Ende Jahr noch mindestens zweimal gesenkt. Dadurch bilden sich auch die Langfristzinsen zurück, worauf die globale Wirtschaft markant an Dynamik gewinnt. Dies bedingt eine Wiederbelebung der Globalisierung der Lieferketten (v.a. mit China) und ein absehbares Kriegsende in der Ukraine, damit der Druck auf steigende Rüstungsausgaben nachlässt.

Dieses Szenario begünstigt risikotragende Anlagekategorien, wie zum Beispiel Aktienanlagen, insbesondere Wachstumssektoren (Technologie), sowie klein und mittelkapitalisierte Unternehmen. Im Weiteren sind Hochzins- und Schwellenländeranleihen zu bevorzugen.

Matthias Wirz, 04. Oktober 2024