«Importzölle dämpfen das globale Wirtschaftswachstum» Matthias Wirz, Leiter Anlagestrategie und Vermögensverwaltung, Partner
Die Regierung Trump hat seit Anfang Jahr bereits zahlreiche der im Wahlkampf angekündigten Zölle eingeführt, wie 25% auf Stahl und Aluminium sowie auf Waren aus Mexiko und Kanada. Bereits im Februar wurden chinesische Importe mit Zöllen von 10% belastet, welche im März auf 20% erhöht wurden. Des Weiteren sind Zölle von 25% auf Autoimporte sowie reziproke Zölle angekündigt worden. Die betroffenen Länder reagierten mit Gegenzöllen, sodass mittlerweile von einem weltweiten «Handelskrieg» gesprochen werden kann. Infolgedessen hat sich in den letzten Wochen nicht nur die Gemütslage der Anleger an den weltweiten Aktienbörsen, sondern auch diejenige der Investoren und Konsumenten verschlechtert.
In den USA gewinnt die These einer möglichen Konjunkturabschwächung an Bedeutung. Deswegen sank die 10-jährige Staatsanleiherendite (Treasury-Rendite) innert Monatsfrist von 4.65% auf 4.35%. Fundamental betrachtet gibt es infolge des sinkenden Konsumentenvertrauens, des fallenden Einkaufsmanagerindex für den Dienstleistungssektor (ISM) sowie der stetigen Zunahme der Erstanträge auf Arbeitslosengeld einige Argumente für eine (kräftige) Abkühlung der Wirtschaftsaktivität. Andererseits scheint sich die seit Monaten darbende Industrie zu erholen, wie der ISM für die Industrie mit einem graduellen Anstieg von 49.2 im Dezember 2024 auf 50.3 im Februar 2025 signalisiert. Damit hat der ISM die für Expansion und Kontraktion entscheidende Schwelle von 50 erstmals seit Dezember 2022 wieder über mehrere Monate übersprungen. Ebenso zeigen die Bestellungseingänge für langlebige Konsumgüter bisher keine rezessiven Tendenzen, die monatliche Zuwachsrate hat sich von +0.1% im Januar auf +0.7% im Februar beschleunigt. Möglicherweise ist jedoch ein guter Teil des Anstiegs auf Vorabkäufe im Hinblick auf die Erhebung der Importzölle zurückzuführen. Aktuell gehen wir nicht von einem globalen Rezessions-Szenario aus.
Zölle wirken wie ein negativer Angebotsschock, ähnlich den Ölpreisschocks in den 1970er-Jahren. Es steigen die Kosten für Importwaren, wodurch sich die Produktionskosten für Unternehmen und die Preise der privaten Haushalte beträchtlich erhöhen können. In der Folge verringern die Unternehmen ihr Angebot und heben ihre Preise an. In einer zweiten Phase sinkt wegen der höheren Preise die Nachfrage der Konsumenten, sofern die betroffenen ausländischen Güter nicht durch gleichwertige Güter im Inland ersetzt werden können. Zudem steigt die Unsicherheit, welche private Investitionen hemmt und das Wirtschaftswachstum schmälert. Im schlimmstmöglichen Fall droht weltweit eine Stagflation, eine Kombination aus Inflation und stagnierendem Wirtschaftswachstum.
Während der «Zollkrieg» das globale Wirtschaftswachstum zweifellos dämpfen wird, dürfte die ausgesprochen expansive Fiskalpolitik Deutschlands mit den von der neuen Regierung - eine Koalition aus CDU/CSU und SPD - beschlossenen «Sondervermögen» von EUR 500 Mrd. für Rüstungs- und weiteren EUR 500 Mrd. für Infrastrukturausgaben der europäischen Wirtschaft über die Zeit einen kraftvollen Wachstumsimpuls verleihen. Ausserdem hat China in den vergangenen Monaten seine Wirtschaft mit weitreichenden Konjunkturprogrammen in Form von grossen Infrastrukturausgaben und Krediten an die Lokalregierungen unterstützt. Somit könnte die Konjunkturerholung in Europa und Asien das abnehmende Wirtschaftswachstum in den USA teilweise kompensieren.
Da sich das fundamentale Umfeld für risikotragende Anlagekategorien in den nächsten Monaten verschlechtern dürfte, reduzieren wir die Aktienquote in der Asset Allokation schrittweise von Übergewichten auf Neutral. Der Abbau erfolgt vor allem über eine Reduktion der Aktienquote in den USA, deren grosse Technologietitel deutlich überbewertet sind. In Europa, Asien und Schwellenmärkten behalten wir aufgrund der tieferen Bewertung eine neutrale Quote. Die Sektor-Rotation aus Wachstums- in weitgehend konjunkturunabhängige Substanzaktien (Value) sollte sich fortsetzen. Davon profitieren die in unseren Depots stark vertretenen Schweizer Aktien wie Nestlé, Novartis, Roche und Swisscom. Trotz des nun hoch bewerteten Versicherungssektors, bleiben Swiss Re, Zürich Versicherung und Swiss Life mit Dividendenrenditen von mehr als 4% attraktiv. Von den steigenden Infrastrukturausgaben in Deutschland profitieren die Aktien von Holcim, ABB, Geberit und Sika.
An ihrer März-Sitzung hat die amerikanische Notenbank (FED) wie erwartet den Leitzinssatz unverändert bei 4.5% belassen. Das FED erwartet im Hinblick auf die beschlossenen Importzölle zwar einen temporären Anstieg der Teuerungsrate, nicht aber nachhaltig negative Effekte auf die Inflationserwartungen. Entsprechend wurde die Teuerungsprognose für dieses Jahr nur leicht nach oben revidiert, gleichzeitig das erwartete Wirtschaftswachstum für dieses Jahr jedoch deutlich von 2.1% auf 1.7%. gesenkt. Das FED wird in Anbetracht des hartnäckig hohen Inflationsniveaus seine restriktive Geldpolitik zunächst fortsetzen und erst im späteren Jahresverlauf im Hinblick auf die erwartete Konjunkturabkühlung zu Leitzinssenkungen schreiten. Aufgrund der flachen Zinskurven in USD, EUR und CHF sind Obligationen mit guter Bonität und kurzen bis mittleren Laufzeiten zu empfehlen.
Seit die Schweizer Nationalbank (SNB) im März 2024 die Zinswende eingeleitet und ihren Leitzins bisher fünf Mal von 1.75% auf aktuell 0.25% gesenkt hat, verzeichnen die indirekten Immobilienanlagen wieder steigende Bewertungen. Das betrifft vor allem die börsenkotierten Immobilienfonds, deren Aufpreise zum inneren Wert (Agio) in den letzten Monaten wieder rasch von nahe 0% Ende 2023 auf inzwischen über 30% angestiegen sind. Nicht nur dadurch, sondern auch infolge der seit Anfang deutlich gestiegenen Langfristzinsen litt die Attraktivität von Immobilienfonds. Entsprechend sehen wir zurzeit von erhöhten Zukäufen ab.
Der Goldpreis ist auch in diesem Jahr weiter bis auf über USD 3'000 angestiegen, getrieben durch die permanenten Goldkäufe der Zentralbanken in China, Russland und anderen Schwellenländern. Darüber hinaus haben auch die ETF-Käufe privater Anleger angesichts geopolitischer Unsicherheiten und anschwellenden Schuldenniveaus vieler Länder erheblich zugenommen.
Während Befürchtungen um eine Konjunkturabschwächung in den USA und der Beginn von Friedensverhandlungen zwischen Russland und der Ukraine auch künftig auf den Energiepreisen lasten dürften, hat Kupfer zu einer Erholungs-Rallye angesetzt. Eine Mischung aus Angebotsengpässen und zunehmender Nachfrage infolge der erneuerbaren Energien und Ausbau der Stromnetze werden den Kupferpreis nachhaltig positiv beeinflussen.
Obwohl der USD gemessen an der Kaufkraftparität deutlich überbewertet ist, sollte dieser angesichts der hohen Zinsdifferenz gegenüber dem CHF und EUR weiterhin zur Stärke neigen. Da die EZB und SNB ihre Leitzinsen erneut gesenkt haben, hat sich die Zinsspanne weiter zugunsten des USD ausgedehnt. Die Zinssenkung der SNB wirkte ausserdem einer weitergehenden Aufwertung des CHF gegenüber dem EUR entgegen, sodass das aktuelle Niveau von EUR/CHF 0.95 als fair zu bewerten ist.
In Anbetracht der sich akzentuierenden Risiken für die Weltwirtschaft und der Wirtschaftspolitik der neuen Regierung Trump haben wir die Eintretenswahrscheinlichkeit unseres oben beschriebenen Hauptszenarios zu Gunsten des negativen Szenarios reduziert. Das unten beschriebene negative Szenario wird damit wahrscheinlicher als vor drei Monaten. Noch unwahrscheinlicher als vor drei Monaten, aber dennoch nicht auszuschliessen, ist für uns das positive Szenario.
In diesem Szenario lösen die Importzölle einen kräftigen Teuerungsschub aus, welcher das FED daran hindert, ihre Leitzinsen in diesem Jahr zu senken. Dadurch trifft die restriktive Geldpolitik des FED auf eine US-Wirtschaft, die sich infolge der nachlassenden Konsumneigung der privaten Haushalte und zurückhaltender Investitionstätigkeit der Unternehmen ohnehin abkühlt und möglicherweise gegen Ende Jahr in eine Rezession fällt.
Allerdings dürfte die in diesem Fall rasch steigende Arbeitslosigkeit das FED schlussendlich doch zu Leitzinssenkungen veranlassen. Der scharfe Konjunkturabschwung führt zu einem kräftigen Einbruch der Gewinnerwartungen und schliesslich zu einem deutlichen Kursrückgang an den Aktienmärkten. In diesem Szenario sind «sichere Häfen» wie zum Beispiel der CHF, JPY, Gold oder Staatsanleihen zu favorisieren.
Im Bewusstsein, dass Importzölle das globale Wirtschaftswachstum reduzieren und zum Nachteil sämtlicher betroffenen Länder sind, könnten in den nächsten Monaten Verhandlungen mit den USA zu einer raschen Beilegung des «Handelskriegs» führen. Diese Einsicht kann ebenso schnell erfolgen, wie die Zölle im ersten Quartal eingeführt wurden.
In diesem Szenario bilden sich die temporär höheren Inflationsraten zurück und die globale Konjunktur nimmt wieder Fahrt auf. Unterstützend wirken dabei allenfalls fallende Energiepreise, sodass das FED den gewonnenen Spielraum für eine stetige Lockerung ihrer Geldpolitik nutzen kann. Tiefere Zinsen und höhere Gewinnerwartungen wären der optimale Mix für die risikotragenden Anlagekategorien, wobei vor allem Aktienanlagen aus den Wachstumssektoren (Growth) sowie klein- und mittelkapitalisierte Unternehmen profitieren werden.
Matthias Wirz, 01. April 2025