«Nach den widerholten Rekordständen sind die weltweiten Aktienmärkte diese Woche in eine Konsolidierungsphase mit leichten Kursverlusten von 1% bis 2% eingetreten. » Matthias Wirz, Leiter Anlagestrategie und Vermögensverwaltung, Partner
Nach den widerholten Rekordständen sind die weltweiten Aktienmärkte diese Woche in eine Konsolidierungsphase mit leichten Kursverlusten von 1% bis 2% eingetreten. Womöglich hat der rasante Zinsanstieg bei 10-jährigen USD-Staatsanleihen von 3.80% auf 4.20% die Stimmung der Anleger eingetrübt und zu grösseren Abgaben geführt.
Angesichts der soliden Gewinnentwicklung amerikanischer Unternehmen dürfte es sich jedoch nur um eine kurzfristige Kursdelle handeln. Wie erwartet verläuft die Berichtssaison für das dritte Quartal mit einem überdurchschnittlichen Anteil positiver Gewinnüberraschungen von 78% bislang erfolgreich, obwohl die Quote bei den Umsätzen mit 55% unterdurchschnittlich ausfällt. Hier hinterlässt der weltweite Konjunkturabschwung bereits spürbare Bremsspuren. Zudem muss der hohe Anteil der grosskapitalisierten Unternehmen aus dem Technologiesektor («Magnificent 7») berücksichtigt werden. Diese liefern mit einem erwarteten Gewinnwachstum von über 18% den weitaus grössten Beitrag, während die übrigen 493 Unternehmen des S&P 500 nur eine minimale Gewinnzunahme von 1.1% erzielen dürften. Als erstes Unternehmen der «Magnificent 7» hat Tesla äusserst starke Quartalszahlen geliefert und den Ausblick für das nächste Jahr mit einem Volumenwachstum von 30% kräftig angehoben. In der Folge schoss der Aktienkurs um 22% in die Höhe.
In der kommenden Woche werden 172 Unternehmen, welche 45% der Marktkapitalisierung des S&P 500 repräsentieren, ihre Quartalszahlen veröffentlichen und dem Aktienmarkt neue Impulse verleihen. Danach dürfte vor allem die Präsidentschaftswahl den weiteren Verlauf der Aktienmärkte bestimmen.
In Europa verläuft die Berichtssaison unverkennbar zäher, haben doch das Indexschwergewicht ASML sowie die Luxusgüter- und Automobilhersteller enttäuschende Gewinnausweise geliefert. Bei Letzteren verursacht insbesondere die Konjunkturschwäche Chinas, bedingt durch die rückläufige Konsumnachfrage, heftige Einschnitte in der Erfolgsrechnung. Eine zusätzliche Belastung entsteht aus der lahmenden Konjunktur in den europäischen Heimmärkten und der aggressiven Preispolitik der chinesischen Automobilhersteller. Dadurch ergibt sich im Deutschen Aktienindex (DAX) eine Verzerrung des Gewinnwachstums, da die DAX-Gewinne ohne Automobilsektor um 4% ansteigen, anstatt um rund 15% sinken würden.
Während Chinas Wirtschaft aufgrund der staatlichen Stimulierungspakete in den nächsten Monaten an Dynamik hinzugewinnen dürfte, ist in der Eurozone weiterhin mit einem Nullwachstum zu rechnen. Die Einkaufsmanagerindizes für Oktober zeigen unverändert eine deutliche Diskrepanz zwischen Industrie und Dienstleistungen. Dementsprechend hält die Verschlechterung in der Industrie an, wobei die Produktion zum neunzehnten Mal in Folge rückläufig ist und der Auftragsbestand weiter sank. In der Folge steigen die Markterwartungen bezüglich einer Leitzinssenkung der EZB um 0.50% im Dezember weiter an, befeuert von Aussagen der EZB-Ratsmitgliedern Nagel und Kazaks, dass im Dezember „alle Optionen auf dem Tisch sind». Zwar wird gleichzeitig unverdrossen die Datenabhängigkeit betont, doch wird der Druck auf eine 0.50%-Zinssenkung der EZB bei anhaltend negativen Konjunkturdaten schnell weiter zunehmen.
In knapp zwei Wochen finden in den USA die Präsidentschaftswahlen statt. Dabei wird es unabhängig vom Wahlausgang in einem Punkt kaum in nützlicher Frist eine wesentliche Änderung geben: beim unvermindert hohen Budgetdefizit von zurzeit über 6% des Bruttoinlandsprodukts (BIP)! Die Wahlprogramme der beiden Kandidaten sehen in einen Fall massive Steuersenkungen vor (Trump) und im anderen Fall höhere Ausgaben, welche über Steuererhöhungen teilweise gegenfinanziert werden (Harris).
Allerdings ist nicht anzunehmen, dass Präsidentschaft, Senat und Repräsentantenhaus vollständig von einer Partei kontrolliert werden. Entsprechend dürften beide Wahlprogramme höchstens teilweise umgesetzt werden. Bereits heute sind die Auswirkungen der seit der Pandemie ausufernden Budgetdefizite sichtbar, indem die Nettozinszahlungen mit USD 882 Mrd. im Fiskaljahr 2024 die Militärausgaben von USD 874 Mrd. übertreffen. Angesichts hoher Fälligkeiten von Tiefzins-Anleihen im kommenden Jahr werden die Zinsausgaben auch 2025 stetig zunehmen. Daher könnte die reale Zinskomponente künftig ansteigen und bei stabilen Inflationserwartungen zu etwas steileren Renditekurven führen.
Sinkende Leitzinsen und stabile Gewinnerwartungen im hohen einstelligen Bereich schaffen günstige Voraussetzungen für die Aktienmärkte. Im Gegensatz zum Konsens setzen wir auf eine deutliche Übergewichtung der Aktienanlagen, vor allem in den USA und der Schweiz. Dabei ist die vordergründig hohe Bewertung des amerikanischen Marktes vor allem auf den stark wachsenden Technologiesektor zurückzuführen. Der breite Markt ist mit einem PE-Ratio von 19 angemessen bewertet. Der Schweizer Markt bietet insgesamt ebenfalls eine faire Bewertung, wobei insbesondere Versicherungsunternehmen mit attraktiven Bewertungen und hohen Dividendenrenditen locken.
Obligationen: Untergewichtung; Ausbau Unternehmensanleihen: 4 - 8jährige Laufzeiten bevorzugen, Durationverlängerung
Aktien: Übergewichtung
Währungen: USD/CHF über 0.86 absichern und EUR/CHF über 0.96 absichern
Rohstoffe: Industriemetalle, Energie übergewichten
Edelmetalle: Gold übergewichten; Goldminenaktien attraktiv
Immobilien: Übergewichtung (Anlagestiftungen, Immobilienfonds)
Transaktionen: Aktien: Kauf iShares S&P 500 Techn. & Inform; Obligationen:-
Sektoren: Übergewichtung Technologie, Gesundheit, zyklischer Konsum
Matthias Wirz, 25. Oktober 2024