Basel und die Eisenbahn- Staatsbau oder Privatbau?

Der französische Bahnhof in Basel auf dem Schellenmätteli im Jahr 1847. Schaulustige auf dem eigens errichteten Tor in der Stadtmauer, das nachts geschlossen wurde. Bild: Historisches Museum Basel 

Die Gründung der Schweizerischen Centralbahn

Ein Gastbeitrag von Paul Huber*

Am 5. August 1852 versammelte sich ein Kreis von Vertretern der Basler Politik und Wirtschaft in den Räumen der Allgemeinen Lesegesellschaft am Münsterplatz, um die Schaffung einer Schweizerischen Centralbahn-Gesellschaft vorzubereiten. Deren Ziel sollte der Bau eines Eisenbahnnetzes durch die Kantone Basel, Baselland, Solothurn, Aarau, Bern und Luzern sein, mit einer Linie von Basel über Olten nach Luzern und mit Linien ab dem Knotenpunkt Olten durch das Mittelland, nämlich einer Linie nach Osten bis Aarau und einer Linie nach Westen bis Bern und Solothurn-Biel (via Verzweigung ab Herzogenbuchsee).

 

Jean-Nicolas Fahrenberg
«In Basel hat das Engagement von Privaten für die öffentliche Sache Tradition.» Jean-Nicolas Fahrenberg, Geschäftsleitung, Partner

Präsidiert wurde die Versammlung von Bürgermeister Felix Sarasin, Teilhaber einer Baumwollspinnerei. Unter den zwanzig Teilnehmern waren alle wesentlichen Wirtschaftszweige Basels vertreten: die Textilindustrie (fünf Teilnehmer waren Bandfabrikanten), Handels- und Speditionsfirmen und Bankhäuser. Sie alle hatten Interesse an den neuen Geschäftsmöglichkeiten, die durch die Eisenbahnen eröffnet wurden. Der Kanton Baselland war vertreten durch seinen Landratspräsidenten und einen Regierungsrat. Ihr Kanton war interessiert an der Führung der Eisenbahn durch sein Gebiet, und die Organisatoren des Treffens wollten den Kanton wegen der erforderlichen Konzessionen früh einbinden.

Wichtige treibende Kraft der Versammlung war der ebenfalls anwesende Johann Jakob Speiser, seit 1845 Direktor der von ihm mitbegründeten Bank in Basel. Neben diesem Amt hatte er – nebst anderen Aktivitäten – als Experte des Bundes die eben erst abgeschlossene Einführung des neu geschaffenen Schweizer Frankens konzipiert und betreut.

Nachdem im Jahr 1825 in Grossbritannien die erste öffentliche Eisenbahn in Betrieb genommen worden war, hatte sich das Streckennetz in Europa rasant entwickelt, war aber in der Schweiz bis 1848 kaum vorangekommen. Die wirtschaftliche Bedeutung der neuen Erfindung war jedermann klar: schnellere und preislich günstigere Transporte über weite Strecken. Damit entstanden grössere und völlig neue Märkte und Marktgebiete. Es entstand aber mancherorts auch die Angst, bisheriges Geschäft zu verlieren, falls die Bahn nicht über das eigene Gebiet gebaut würde. Solche Gedanken mussten auch das traditionelle Transitland Schweiz beschäftigen und insbesondere auch die stark vom Transitverkehr und Handel profitierende Stadt Basel.

Als erstes Bahngeleise in der Schweiz wurde im Jahr 1844 die Linie der Bahn Strassburg-Saint Louis ab der Grenze bis in die Stadt Basel zum Schellenmätteli geführt (heute Standort Biozentrum). Dies war aber nur ein Zubringer. Als erste Schweizer Eisenbahn wird denn auch die 1847 geschaffene Linie von Zürich nach Baden betrachtet, bekannt als Spanisch-Brötli-Bahn. Gebaut wurde sie durch die von Zürcher Kreisen geschaffene Schweizerische Nordbahn, wobei ursprünglich die Weiterführung bis Aarau und Basel geplant gewesen war.

 

Das Stammnetz der Centralbahn - Quelle: SCB Geschäftsbericht 1862
Das Stammnetz der Centralbahn - Quelle: SCB Geschäftsbericht 1862

Der im Vergleich zum Ausland verzögerte Ausbau der Eisenbahnen in der Schweiz erklärt sich zum Teil durch die topographischen Verhältnisse und den kantonalen Partikularismus, vor allem aber durch die innenpolitische Verfassung der Schweiz, waren dies doch die Jahre der Auseinandersetzungen zwischen den konservativen und den liberalen Kräften sowohl innerhalb der Kantone wie zwischen den Kantonen – jener Auseinandersetzungen, die zum Sonderbundskrieg von 1847 führten und in diesem gipfelten, und in dessen Folge der Bundesstaat von 1848 gegründet wurde.

Einer der drängenden Punkte auf der Agenda des neuen Bundesstaates war die Ordnung der Eisenbahnfrage und die Schaffung der entsprechenden gesetzlichen Grundlagen. Beantwortet werden musste auch die Grundsatzfrage, ob der Eisenbahnbau durch den Staat oder durch Private erfolgen sollte.

Am 8. Juli 1852 fällte der Nationalrat den Grundsatzentscheid für den Privatbau. Verbunden damit war der Entscheid, dass die Konzessionsgewährung in der Kompetenz der Kantone und nicht des Bundes liegen sollte.

Als vom Bundesrat berufene Experten hatten der Basler Ratsherr Karl Geigy und Ingenieur Jakob Melchior Ziegler aus Winterthur im Jahr 1850 ein finanzielles Gutachten zum Eisenbahnbau in der Schweiz verfasst und dabei auch die Frage Privatbau oder Staatsbau analysieren müssen. Ziegler votierte für den Privatbau, Geigy für den Staatsbau. 

Wie Geigy hatten auch andere Repräsentanten aus Politik und Wirtschaft der Stadt Basel für den Staatsbau votiert (so auch Speiser und Achilles Bischoff). Nach ihrer Meinung waren die Eisenbahnen wie die Strassen ein Monopol und sollten deshalb ebenfalls eine Aufgabe des Staates sein. Zudem hatten sie Bedenken, dass beim Bau durch Private ein Wettbewerb um die kantonalen Konzessionen und ein schadhaftes Rennen um die Finanzierung entstehen würde, da alle versuchen würden, als erste die notwendigen Gelder zu finden, was die Finanzmärkte überfordern und die Konditionen verschlechtern würde. Beim Staatsbau dagegen wäre eine gestaffelte Geldaufnahme zu günstigen Konditionen möglich.
Auch war ihnen klar, dass der Bahnbau nicht allein mit Mitteln aus der Schweiz bewältigt werden konnte, sondern dass dazu auch Kapital im Ausland gefunden werden musste, womit aber die Gefahr bestand, dass die Kontrolle über diese wichtige nationale Infrastruktur ins Ausland gehen würde, was die führenden Wirtschaftskreise Basels auf keinen Fall wollten.

Die Basler konnten mit dem Entscheid für den Privatbau aber gut leben, weil die Stadt als damals wichtigster Finanzplatz der Schweiz über die erforderliche Kompetenz zur Mittelbeschaffung verfügte, einschliesslich der Verbindungen zu den wichtigen ausländischen Finanzplätzen wie Paris oder London.

So verlor man nach dem Entscheid des Nationalrats vom 8. Juli 1852 denn auch keine Zeit. Bereits am 5. August fand die eingangs erwähnte Versammlung statt, und umgehend wurde eine weit grössere Versammlung einberufen, zu der sich am 26. August 1852 über 125 Personen im Stadtcasino versammelten, darunter auch Vertreter aller im Streckengebiet liegenden Kantone. Es wurde eine Gründungsgesellschaft gebildet und ein provisorischer Verwaltungsrat von elf Personen gewählt, in dem auch alle Centralbahn-Kantone vertreten waren (BS, BL, SO, AG, BE, LU). Zum Präsidenten wurde Karl Geigy ernannt.

Dieser VR und dessen Ausschuss gingen sofort an die Arbeit. Speiser wurde mit der Ausarbeitung der finanziellen Massnahmen betraut, und umgehend wurden auch die Konzessionsgesuche an die Kantone lanciert. Ende 1852 besass die Centralbahn bereits die Konzessionen von Basel-Stadt, Baselland, Luzern, Bern und Solothurn. Jene des Kantons Aargau kam erst im November 1853, aber deren Erhalt war nur eine Frage der Zeit.

Ende 1852 ging man bei der Centralbahn von Gesamtkosten von 48 Mio. Fr. für die Erstellung des Stammnetzes aus, zu decken mit 36 Mio. Aktienkapital und 12 Mio. Fr. Obligationenkapital.

Gemäss den Ende 1852 genehmigten Statuten sollte das Aktienkapital aufgeteilt werden in 72'000 Aktien à 500 Fr., wobei die Ersteinzahlung 100 Fr. betragen und die restliche Liberierung später erfolgen sollte. Der Rest der Gesamtkosten von 48 Mio. Fr. sollte zu gegebener Zeit durch eine Obligationenanleihe von 12 Mio. Fr. aufgebracht werden. Die Aktien sollten bis zum Ende der Bauzeit Anspruch auf einen fixen Zins von 4% haben. Jedes VR-Mitglied hat 30 Aktien zu besitzen und bei der Gesellschaft zu hinterlegen. In der Generalversammlung kann kein Aktionär mehr als 30 Stimmen besitzen, unabhängig von der Grösse seines Aktienpakets. 5 Aktien geben je eine Stimme, 10 Aktien zwei, je weitere 10 Aktien (bis 100) geben eine weitere Stimme, jedes weitere Hundert wiederum eine Stimme, bis zum Maximum von 30 Stimmen. Damit war das von den Basler Initianten angestrebte Ziel erreicht, dass die Bahn als «nationale Infrastruktur» weitgehend unter ihrer Kontrolle und unter jener des von Schweizer Vertretern dominierten Verwaltungsrats (in dem per Statuten auch die Kantonsvertreter Einsitz hatten) blieb. Ein kurzer Blick voraus: Bei der ersten Generalversammlung vom 29. September 1853 verfügten allein die Basler Aktionäre, ohne die Stimmen der übrigen Schweizer und Kantonsvertreter, über rund 600 Stimmen, bei einem Total von 1073 Stimmen!

Mit der Genehmigung der Statuten begann auch die Beschaffung der für den Bau notwendigen Mittel. Diese ist jedoch ein umfassendes Kapitel, das eine eigene Darstellung erfordert. Wir werden darauf zurückkommen. À suivre !

*Paul Huber, Jahr­gang 1950, Wirtschaftshistoriker mit langjähriger Berufserfahrung im Finanzbereich (www.paulhuber.ch).

01. April 2025