«Es ist anzunehmen, dass die Wirtschaftspolitik der Regierung Trump die globale Marktmacht der USA weiter stärkt.» Matthias Wirz, Leiter Anlagestrategie und Vermögensverwaltung, Partner
Nach dem überraschend klaren Sieg der Republikaner bei den US-Präsidentschafts- und Kongresswahlen hat die Unsicherheit über die zukünftige Wirtschaftspolitik der Regierung Trump abgenommen. Dies zeigt sich ausdrücklich im Rückgang der Marktvolatilität, sinkenden Kreditrisikoprämien und fallendenden Langfristzinsen. Nach der Nomination einiger umstrittener Minister hat insbesondere die Wahl von Scott Bessent als neuer Finanzminister die Gemüter an den Finanzmärkten beruhigt, gilt er doch als ausgewiesener Finanzexperte mit langjähriger Erfahrung. Während seit den Wahlen die europäischen Aktienmärkte stagnierten, legte der Dow Jones um 3.00% zu. Die 10-jährige Staatsanleiherendite stieg bereits im Vorfeld der Wahlen kräftig von 3.70% auf 4.45% an, um danach wieder auf 4.25% zu sinken.
Die herausragende globale Wirtschaftsstellung und Marktmacht der USA widerspiegelt sich am Anteil von 25% am globalen Bruttoinlandsprodukt, sowie an der Marktkapitalisierung amerikanischer Aktien, welche ca. 50% der globalen Kapitalisierung erreicht. Noch eindrücklicher wird die Dominanz der USA mit Blick auf den Anteil von inzwischen 64% im weltweit führenden Aktienmarktindex MSCI.
Es ist anzunehmen, dass die Wirtschaftspolitik der Regierung Trump die globale Marktmacht der USA weiter stärkt und sich dadurch die Wachstumsschere gegenüber China und Europa weiter öffnet. Während die geplante Senkung der Unternehmenssteuer von 21% auf 15% die Gewinndynamik der Unternehmen zeitnah erhöht und das Investitionsklima in den USA verbessert, lasten die jüngst angekündigten Zölle von 25% auf Importe aus Kanada und Mexico auf dem Aussenhandel und damit dem Wirtschaftswachstum dieser Länder. Derweil müssen die amerikanischen Konsumenten mit höheren Preisen rechnen. Das Gleiche gilt für die beabsichtigten Zölle auf Importe aus China und Europa. Im Ergebnis wäre eine möglicherweise steigende Inflationsrate genau das Gegenteil vom den in Trumps Wahlkampf versprochenen Massnahmen für mehr Kaufkraft des amerikanischen Mittelstands. Interessanterweise sind in den letzten zwei Wochen die Inflationserwartungen dennoch kräftig gefallen. Offenbar rechnet der Obligationenmarkt zurzeit nicht mit der vollständigen Umsetzung der angedrohten Zölle, und der expansiven Fiskalpolitik. Vielmehr werden die Zoll-Drohungen als Ausgangspunkt für Verhandlungen mit den grössten Handelspartnern der USA interpretiert. Im Endeffekt könnte der Wachstums- und Inflationsimpuls geringer ausfallen als zunächst erwartet wurde.
In Europa herrscht demgegenüber allgemeine Ratlosigkeit, wenn es um die Wirtschaftspolitik in Deutschland und Frankreich geht. Der Anstieg der Risikoprämie der französischen Staatsanleihen gegenüber deutschen «Bunds» auf das höchste Niveau seit Juli 2012 zeigt die Unsicherheit der Marktteilnehmer im Hinblick auf die Verabschiedung des Staatshaushalts 2025 am 18.12.24 und die Verabschiedung des Gesetzes zur Finanzierung der Sozialversicherung am 04.12.24. Folglich könnte die neue Minderheitsregierung, kaum im Amt, bereits nächste Woche durch die Rechtspartei «Rassemblement National» gestürzt werden.
In Deutschland finden am 23.02.25 Neuwahlen statt, wobei Stand heute nur eine grosse Koalition aus CDU/CSU und SPD (unter Ausschluss der AFD) eine Mehrheit hat. Entsprechend schwierig dürften sich Verhandlungen über dringend notwendige Strukturreformen und Deregulierungen gestalten. Die umstrittensten Themen werden die von der CDU/CSU geforderten Steuersenkungen, eine moderatere Energiepolitik, die Abschaffung des Bürgergeldes und die Begrenzung der Migration betreffen.
In der Zwischenzeit sollte sich der trübe Wachstumsausblick für Europa durch den starken USD und die voraussichtlich weiter fallenden Leitzinsen der Notenbanken aufhellen. Das deutsche EZB-Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel, die eher dem konservativen Lager zuzuordnen ist, spricht sich zwar nur für eine langsame Absenkung der Leitzinsen aus, doch dürfte der Druck auf die EZB angesichts der schwachen Konjunkturlage enorm zunehmen, auf eine expansive Geldpolitik umzuschwenken. Dies gilt umso mehr als sich die Teuerungsrate (Kernrate erreichte 2.70% im Oktober) der EZB-Zielrate von 2% schrittweise annähert.
Mit sinkenden Zinsen und steigenden Gewinnerwartungen sind die Vorzeichen für eine Endjahres-Rallye auf den weltweiten Aktienmärkten günstig. Das gilt ausdrücklich für die USA, obwohl der Markt von den meisten Analysten als teuer eingestuft wird. Wie an dieser Stelle bereit mehrfach betont, wird die Bewertung des S&P 500 durch die 10 grössten Unternehmen – bis auf JPMorgan und Tesla alles Technologie-Schwergewichte mit hohen Gewinnwachstumsraten – verzerrt. Der breite Markt unter Ausklammerung der «Top 10» ist hingegen nur geringfügig überbewertet.
In Europa ist unser Heimmarkt Schweiz die bevorzugte Region, da die Bewertung historisch attraktiv ist. Dies ist vor allem bei den Index-Schwergewichten Nestlé, Novartis und Roche der Fall, alle drei klassische Value-Vertreter. Es ist daher zu erwarten, dass die Value-Sektoren Nicht-zyklischer Konsum, Versorger und Gesundheit ihren ausserordentlichen hohen Discount gegenüber Wachstumstiteln, wie sie im Technologiesektor zu finden sind, in den nächsten Monaten etwas reduzieren werden. Aber auch die klein- und mittelkapitalisierten Firmen sind mittlerweile als günstig einzustufen und dürften ausserdem von der leichten Konjunkturerholung, tieferen Zinsen und dem starken USD profitieren.
Obligationen: Untergewichtung; Ausbau Unternehmensanleihen: 4 - 8jährige Laufzeiten bevorzugen
Aktien: Übergewichtung
Währungen: USD/CHF über 0.86 absichern und EUR/CHF über 0.96 absichern
Rohstoffe: Industriemetalle, Energie übergewichten
Edelmetalle: Gold übergewichten; Goldminenaktien attraktiv
Immobilien: Übergewichtung (Anlagestiftungen, Immobilienfonds)
Transaktionen: Aktien:- Obligationen:-
Sektoren: Übergewichtung Technologie, Gesundheit, zyklischer Konsum
Matthias Wirz, 29. November 2024